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Job Shadowing: Unsere Lehrenden in Schweden

Schwedische Gemütlichkeit, Massagesessel, Kleidertausch und unendlich viel Kaffee … ist das allein der Arbeitsalltag in Schweden? Unsere Deutschlehrenden Mihaela, Katharina und Raphaela sind mit einem Erasmus+ geförderten Programm nach Schweden gefahren, um herauszufinden, wie Inklusion und Partizipation im Zweitsprachekursen umgesetzt werden kann.

Mihalea Stollhof berichtet.

Als Studentin durfte ich im Rahmen von Erasmus ein Semester an der Universität in Umeå verbringen. Ihr fragt euch bestimmt, wo das ist, oder? Da ich Skandinavistik studiert habe und Schwedisch meine Hauptsprache war, war es für mich logisch, ein Auslandssemester in Schweden zu verbringen. Umeå liegt etwa 800 km nördlich von Stockholm und ich kann nur eines sagen, es war die beste Zeit meines Lebens, die mich sehr geprägt hat. Ich habe einerseits Freunde fürs Leben gefunden, andererseits konnte ich meine Schwedischkenntnisse verbessern, sodass ich zwei Jahre danach am Sprachenzentrum Schwedisch unterrichten durfte.

Nun, etwa 10 Jahre später, bin ich wieder in den Genuss der EU-geförderten Mobilität gekommen, dieses Mal aber nicht mehr als Studentin, sondern als Lehrkraft in der Erwachsenenbildung.

Zusammen mit meinen Kolleginnen Katharina und Raphaela bin ich wieder nach Schweden gefahren, dieses Mal aber nach Karlskrona, eine wunderschöne kleinere Stadt in der südschwedischen Provinz Blekinge. Das Ziel unseres Projektes war Job Shadowing, d.h. dass man eine (ähnliche) Institution besucht und die Arbeitsmethoden, Strukturen und ganz einfach den Unterricht kennenlernen bzw. besuchen kann und sich mit den Kolleg*innen vor Ort austauschen kann, um Best-Practice-Beispiele mit nach Hause zu nehmen. Genau das haben wir gemacht und in weiterer Folge möchte ich euch ein bisschen darüber erzählen.

Empfang in Karlskrona

Als wir durch die Tür der Karlskrona Vuxenutbildning traten, wurden wir ganz besonders herzlich von einigen Mitarbeiter*innen sowie unserer Betreuerin Kristina empfangen. Als Erstes stand fika auf dem Programm. Fika bedeutet Kaffee bzw. Tee, vielleicht einen Keks (kex/kaka) dazu, und einfach nett miteinander plaudern (småprata). Im hellen, freundlich möblierten Lehrer*innenzimmer (personalrum) haben wir uns sofort wie zu Hause gefühlt. Außerdem habe ich mir im Laufe des Tages eine kurze Massage von einem Massagesessel geben lassen, das war natürlich ein Highlight und ein Best-Practice-Beispiel für die schwedische Gemütlichkeit.

Das Programm

Unsere Reise hatten wir im Rahmen des EU-geförderten Erasmus+-Projekts mit dem Titel: „Partizipation und Teilhabe als integrale Bestandteile von Zweitsprachenkursen. Best-Practice-Beispiele in Europa kennenlernen“ angetreten. Dementsprechend lag der Fokus unseres Interesses auf Inklusion und Partizipation.

Dies bedeutet vereinfacht gesagt, dass jede und jeder willkommen ist, egal welche (Lern-)Voraussetzungen und Lernerfahrungen man mitbringt, und auf jede*n wird bei Bedarf individuell eingegangen. Zu Beginn können sich die Lernenden beraten lassen und einen individuellen Lern- und Kursplan erstellen. Das ist im Kontext dieser Institution besonders wichtig, denn dort wird nicht nur Schwedisch unterrichtet, sondern man kann auch diverse Berufsausbildungen absolvieren (Service, Krankenpflege, Kinderbetreuung u.a., das Angebot variiert je nach Bedarf und wird in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Karlskrona aktualisiert).

Ein weiterer Fokus ist das Nachholen von fehlenden Schulfächern, damit die Lernenden in weiterer Folge ein komplettes Maturazeugnis erhalten und dadurch ein Studium beginnen können. Alle Angebote sind sowohl für Schwed*innen als auch für Zugewanderte offen und können mit Hilfe fairer Kredite durch den Staat und durch andere Förderungen in Anspruch genommen werden. Ein individueller und realistischer Lernplan ist von zentraler Bedeutung, denn manche haben wenige oder negative Lernerfahrungen und brauchen deswegen Unterstützung, die auf ganz vielen verschiedenen Ebenen zum Ausdruck kommt und mit Inklusion bzw. Partizipation einhergeht.

Best-Practice-Beispiele

Damit für jede*n ein realistischer und passender Lehrplan erstellt wird, startet die Anmeldung an der Vuxenutbildning mit einem Gespräch mit den dort arbeitenden Berufsberater*innen (yrkesvägledare).

Die Schule arbeitet mit zahlreichen digitalen Ressourcen und einer Plattform, zu der alle Lernenden Zugriff haben. Wer Hilfe und Unterstützung bei der Bedienung dieser Plattform benötigt, bekommt sie entweder in der Klasse oder in s.g. Studienzimmern.

Dort können individuelle Sprechstunden mit einigen Lehrpersonen vereinbart werden, diese unterstützen fachlich und individuell. Falls jemand Schwierigkeiten beim Lernen oder mit dem Zeitmanagement und/oder den Lernstrategien hat, kann ein Studiencoach kontaktiert werden. Diese Person ist extra dafür ausgebildet und leistet Hilfe. Dies sind alles Beispiele dafür, wie die Institution sich darum bemüht, auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden einzugehen und bestmögliche Förderung zu gewährleisten.

An dieser Stelle möchte ich noch einen Aspekt nennen, der mich persönlich sehr beeindruckt hat. Karlskrona ist eine überschaubare Stadt und die lokale Gemeinde scheint an Zusammenarbeit mit Vuxenutbildningen interessiert zu sein.  Sie stellt den Kontakt zu Pensionist*innen her, die sich sozial engagieren wollen, und diese können die Kurse besuchen und als ehrenamtliche Bonuslehrer*innen arbeiten. Wir lernten zum Beispiel Yngve, einen motivierten und sehr netten ehemaligen Soldaten, kennen. Er unterstützte die Lehrerin Ella beim Thema „Zimmer putzen und Handtücher wickeln“.

Die Teilnehmer*innen haben neben den Kursen an der Schule auch ein Praktikum in einem Hotel in der Stadt zu absolvieren, was ein weiteres Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen der Vuxenutbildning und der Gemeinde ist und den Lernenden direkten Zugang zu potenziellen Arbeitsstellen ermöglicht.

Es waren drei sehr intensive, eindrucksvolle und bereichernde Tage, die in bester Gesellschaft und bei gutem Essen beendet wurden. Der Austausch mit meinen wunderbaren Kolleginnen Raphaela und Katharina hat neben den tollen Unterrichtsbeispielen diese Zeit zu einem persönlichen Highlight für mich gemacht. Mein Dank gilt hier dem Sprachenzentrum und dem Erasmus+-Projekt, dass ich diese wunderbare Gelegenheit nutzen konnte, mich in meinem Lieblingsland weiterzubilden.


Unsere Lehrenden haben im Rahmen dieses Projekts die Möglichkeit, sich fortzubilden und international auszutauschen. 
Weitere Informationen über unsere Projekte, Weiterbildungsmaßnahmen und Mitgliedschaft in verschiedenen Fachverbänden finden Sie unter Projekte und wissenschaftliche Kooperationen.

Bildnachweis: privat