Blog

Job Mobility mit Erasmus+: Auf ein Wienerbrot in Schleswig-Holstein

Anfang Juli machten sich unsere Deutschlehrenden Helene, Felix und Lydia auf den Weg nach Norddeutschland, genauer gesagt nach Flensburg, eine Stadt an der deutsch-dänischen Grenze, um herauszufinden, wie Inklusion und Partizipation in DaZ-Kursen bestmöglich gefördert werden kann. Ziel dieser von Erasmus+ finanzierten Job Mobility ist der internationale Austausch von Wissen, Kompetenzen und Ideen. Gegründet wurde Erasmus 1987 als European Community Action Scheme for the Mobility of University Students - 2014 wurde das Programm mit Erasmus+ auch auf die Bereiche Erwachsenenbildung, Jugend und Sport ausgeweitet. Dass aber Wissen, Kompetenzen und Ideen nicht erst seit den 80er Jahren grenzüberschreitend ausgetauscht werden, zeigt ein Blick in Flensburger Bäckereien.

 

Lydia Moschinger berichtet

Wie kam das Wienerbrot nach Flensburg?

Wir - das sind Helene, Felix und Lydia - durften Anfang Juli mit Erasmus+ von Wien nach Flensburg reisen. Wir waren ausgezogen, um neue Ideen und Zugänge für den DaZ-Unterricht zum Thema “Inklusion und Teilhabe” kennenzulernen und uns mit Lehrkräften an Ort und Stelle auszutauschen. 

Wir staunten allerdings nicht schlecht, als wir in einer Flensburg Bäckerei “Wienerbrot” entdeckten, das auf den ersten Blick wie ein nach oben geöffneter Apfelstrudel aussah. Gefüllt war diese Köstlichkeit mit Marzipan und wahlweise Vanillecreme, Mandeln oder Äpfeln. 

Wie das dänische Gebäck Wienerbrot  bzw. Wienerbrød nach Flensburg kam, ist schnell geklärt: Die Stadt liegt direkt an der deutsch-dänischen Grenze und fungiert als Zentrum der dänischen Minderheit in Südschleswig. Aber wie kommt es, dass ein dänisches Plundergebäck nach der Hauptstadt Österreichs benannt ist? 

Der Aufstand der dänischen Bäcker

Auf Nachfrage bekamen wir unterschiedliche Erklärungen zu hören: Ein Streik dänischer Bäckergesellen Mitte des 19. Jahrhunderts soll dazu geführt haben, dass Bäckergesellen aus Wien angeworben wurden, die mit der Herstellung von Plunderteiggebäck die süße dänische Kaffeetafel, eine abendliche “Kuchenorgie” mit mindestens 21 verschiedenen Torten, Kuchen und Gebäcke, bereicherten. Auch nach dem Streik sei die Nachfrage hoch geblieben und dänische Bäcker hätten das ursprüngliche Rezept verfeinert und weiterentwickelt. 

Einer anderen Theorie zufolge sei ein Kopenhagener Bäcker 1843 nach Wien gereist, um das österreichische Bäckerhandwerk kennenzulernen. Er sei nicht nur mit neuen Rezepten und Ideen, sondern auch mit drei neuen Bäckergesellen nach Kopenhagen zurückgekommen, um die “Wienerbageriet” (“Die Wiener Bäckerei”) zu eröffnen. Das könnte der Grund dafür sein, dass das Gebäck in Deutschland als “Kopenhagener Gebäck” bekannt ist. 

“Danish Pastry” zum Frühstück bei Tiffany

Das aus 27 Ziehfettlagen bestehende Wienerbrot reiste Anfang des 20. Jahrhunderts weiter in die USA und gewann dort als “Danish Pastry” oder nur “Danish” vor allem in New York viele Fans - bis auf eine: Audrey Hepburn. Und ausgerechnet sie sollte als Holly Golightly in der Eröffnungsszene des 1961 erschienenen Films “Breakfast at Tiffany’s” beim Blick in die Schaufensterauslage Danish Pastry verzehren. Verschiedenen Quellen zufolge versuchte sie den Regisseur Blake Edwards zu überreden, stattdessen an einem Stanitzel zu naschen - ihre Bemühungen blieben umsonst. 

Bekanntes im Fremden entdecken

Wir haben es uns nicht nehmen lassen, ein großes Stück Wienerbrot nach Wien zu transportieren, um Freund*innen am süßen Glück teilhaben zu lassen. Und plötzlich kam die Frage auf: Was haben die Wiener Bäckergesellen nun eigentlich nach Dänemark exportiert? Nun, es war die Kolatsche, eine Süßspeise altslawischen Ursprungs, die vermutlich via Böhmen (tschechisch: "koláč") nach Wien gelangte - die Frage nach dem “Original” bleibt damit unbeantwortet, aber eins ist klar: Die Kolatsche wird fast überall auf der Welt in der ein oder anderen Form gegessen. 

In Form einer Süßspeise haben wir Bekanntes im Fremden entdeckt und kamen dadurch sehr schnell ins Gespräch mit der örtlichen Bevölkerung - eine unabdingbare Voraussetzung für Partizipation und Inklusion. Und ein wichtiger Merksatz für unseren Unterricht und für unsere Lernenden, die oftmals einen ebenso langen Weg wie die Kolatsche hinter sich gebracht haben.

 

Nachlese: Unsere Lehrenden in Schweden


Unsere Lehrenden haben im Rahmen dieses Projekts die Möglichkeit, sich fortzubilden und international auszutauschen.
Weitere Informationen über unsere Projekte, Weiterbildungsmaßnahmen und Mitgliedschaft in verschiedenen Fachverbänden finden Sie unter Projekte und wissenschaftliche Kooperationen.


Bildnachweis: privat