Blog

„Da klopft etwas nicht!“

Zu unserem 20-jährigen Jubiläum präsentierte Julia Sommer 20 falsche Freunde zwischen Niederländisch und Deutsch. Lies mehr und erfahre mehr über die spannende Verwandtschaft der beiden Sprachen.

„Ich belle zurück, wenn ich ein neues Handy gekocht habe.“ Wenn Niederländischsprachige das sagen, haben sie natürlich kein Kochrezept für ein neues Handy und sie machen auch keine Hundelaute, aber sie sind sogenannten „falschen Freunden“ aufgesessen. Das Wort bellen gibt es sowohl im Niederländischen als im Deutschen, es hat denselben sprachlichen Ursprung (Laute geben), aber im Laufe der Zeit unterschiedliche Bedeutungen bekommen. Beim Sprichwort „Hunde, die bellen, beißen nicht“ könnten Niederländischsprachigen umgekehrt telefonierende Hunde vor Augen haben. Das Partizip gekocht kommt ebenfalls in beiden Sprachen vor, wird aber im Niederländischen vom Wort für kaufen abgeleitet.

Solche sprachlichen Tücken zwischen Niederländisch und Deutsch gibt es massenhaft. Das liegt daran, dass diese beiden Sprachen sogenannte Schwesternsprachen sind, also eng miteinander verwandt. Diese sprachliche Verwandtschaft kann beim Erlernen der jeweilig anderen Sprache recht hilfreich sein. Das kennen viele bestimmt vom Englischen, das ebenfalls eine westgermanische Sprache ist und beim Erlernen des Deutschen wie auch Niederländischen förderlich sein kann. Es gibt also ganz viele „gute Freunde“ zwischen diesen drei Sprachen. Das sehen wir zum Beispiel, wenn wir uns die englische Bezeichnung ‚to ring a bell‘ anschauen, die denselben Ursprung wie das Niederländische bellen hat, das neben telefonieren auch anläuten, klingeln bedeutet.

Wenn man jetzt auch noch weiß, dass es bei den germanischen Sprachen Lautverschiebungen gab, dann verstehen Deutschsprachige sehr viele niederländische Begriffe ganz wie von selbst, und umgekehrt. Vereinfacht gesagt verwandelten sich bei der zweiten Lautverschiebung u.a. die Laute p, t und k in pf/f, ts/s und ch.

Mit diesem Wissen ausgerüstet, kommt man sprachlich schon recht weit. Es lauern jedoch überall Stolpersteine. So kann eine niederländischsprachige Person etwa im Restaurant „Kipf mit Salat“ bestellen. Damit ist aber keineswegs ein Kipferl gemeint, sondern ein Huhn - kip auf Niederländisch. Nicht immer wird also ein p im Niederländischen zu pf oder f im Deutschen. Das sehen wir auch im Titel dieses Beitrags: „Da klopft etwas nicht!“ Dieses Missverständnis liegt an den zwei unterschiedlichen Bedeutungen des niederländischen Wortes kloppen: 1. klopfen & 2. stimmen.

Die sprachliche Nähe ist nicht nur ein großer Vorteil, sondern gleichzeitig Quelle einiger Missverständnisse, manchmal auch etwas peinlich oder lustig. Diese falschen Freunde entstehen etwa, wenn sich Wörter in den Standardsprachen unterschiedlich entwickeln. Das Niederländische slim und das Deutsche schlimm zum Besipiel hatten einmal dieselbe negative Bedeutung, im Niederländischen hat es jedoch die positive Bedeutung schlau/klug erhalten. „Du bist wirklich schlimm!“ ist eventuell von Niederländischsprachigen als Kompliment gemeint. „Du bist ziemlich stur!“ könnte ebenfalls ein Kompliment sein, da das Niederländische stoer (ähnlich ausgesprochen wie stur) so viel wie cool bedeutet.

Ein Arztbesuch hat möglicherweise auch so seine Tücken. Was könnten Niederländischsprachige damit wohl meinen: „Ich habe meinen Enkel verletzt.“ Oder: „Ich bin ziemlich doof.“? Keine Angst, Omas und Opas Kind geht es gut, nur dem Knöchel nicht. Und im zweiten Fall handelt es sich vielleicht um eine Ohrenentzündung, die ziemlich taub macht. Taube Menschen kommunizieren anders, weswegen sie früher irrtümlich für einfältig oder dumm gehalten wurden. Diese beiden Begriffe sind also miteinander verwandt - man denke auch an das Englische deaf.

Auch stumme Menschen müssen sich einer anderen Sprache bedienen, um kommunizieren zu können. Aber aufgepasst! Die Frage „Bist Du vielleicht stumm?“ könnten man im niederländischen Sprachraum falsch verstehen, da das niederländische Wort stom sowohl stumm als auch dumm bedeuten kann, ebenfalls zwei miteinander verwandte Wörter.

Österreich ist ein beliebtes Urlaubsland, auch für viele Niederländer*innen. Beim Buchen eines Hotelzimmers kann es passieren, dass Niederländischsprachige das Meer sehen wollen, wenn sie aus dem Rahmen schauen. Natürlich wissen sie, dass es in Österreich kein Meer gibt, aber das niederländische Wort für See ist meer. Dem jedoch nicht genug: die niederländische Übersetzung für Meer ist zee - ähnlich ausgesprochen wie See, aber eben nicht der See, sondern die See, wie zum Beispiel die Nordsee. OK, die Sache mit dem Gewässer ist geklärt, woher kommt also der Rahmen? Der kommt vom Niederländischen raam, was auf Deutsch Fenster bedeutet.

Achtung! Hier ist KEIN niederländischsprachiger Casanova im Zug am Wort: „Ich habe eine neue Bahn. Ich verführe täglich mehr als hundert Personen.“ Vielmehr erzählt hier ein Chauffeur, dass er einen neuen Job (niederländisch baan) hat und täglich mehr als hundert Personen transportiert (niederländisch: vervoeren).

Deutschsprachige die einer niederländischsprachigen Person ein Kompliment machen möchten, weil sie deren Kleid schön finden, sollten ebenfalls aufpassen. „Je kleed is schoon.“ bedeutet nämlich: „Dein Tuch ist sauber.“

Sollte man bei Niederländischsprachigen zum Essen eingeladen sein, empfiehlt es sich, eine weitere Portion nicht mit den Worten „Dank u, ik ben zat.“ abzulehnen, wenn man bereits satt ist. In beiden Fällen ist man zwar gesättigt, auf Niederländisch gibt man aber mit zat umgangssprachlich zu verstehen, dass man genug Alkohol getrunken hat und betrunken ist.

Wer in den Niederlanden oder in Flandern auf der Suche nach einem „schattige winkel“ ist, sucht in Wirklichkeit keinen Schutz vor der Sonne, sondern ein niedliches Geschäft. Gefühlsmäßig scheint in diesen beiden Ländern die Sonne aber eh nicht sehr oft, sondern es gibt nicht so selten „mist“. Nein, nicht von Unsinn oder Abfall ist dann die Rede, sondern von Nebel.

Zum Schluss eine persönliche Anekdote. Auch ich bin mehrmals auf die sprachlichen falschen Freunde hereingefallen, sowohl beim Erlernen der niederländischen Sprache in den Niederlanden, als auch hier, in Wien. Im Zuge eines Wohnungswechsels war ich einmal auf der Suche nach Umzugskartons im Baumarkt und fragte: “Wo finde ich bitte die Umzugsdosen?“ In diesem Moment war mir das Niederländische wohl vertrauter als meine Muttersprache, denn eine Kartonschachtel bedeutet auf Niederländisch doos.


Julia Sommer
Dozentin für Niederländisch am Sprachenzentrum

Hoi! Ik ben Julia. Niederländisch zu lernen begann ich, weil ich das Deutsch von Niederländer*innen im Skiurlaub immer recht charmant fand. Auf meinen Urlauben in den Niederlanden fühlte ich mich im Land sofort wohl. Ich inskribierte „Dutch Studies“ an der Universität Leiden in den Niederlanden. Ich dachte zunächst, dass ich mir mit Niederländisch eine einfach zu lernende Sprache ausgesucht hatte und somit neben meinem Studium ganz viel Zeit hätte, um das Leben in den Niederlanden abseits von Seminaren und Prüfungen zu genießen. Schon bald merkte ich, dass die sprachliche Nähe zwischen Deutsch und Niederländisch sowohl förderlich als auch herausfordernd sein kann. Diese sprachliche Herausforderung ist und bleibt für mich faszinierend, was ich in meinem Unterricht auch versuche zu vermitteln, seit 1995 an der Universität Wien und seit 2005 am Sprachenzentrum. 


Du interessierst dich für Niederländisch?

Niederländisch zählt zu den beliebtesten Kurssprachen am Sprachenzentrum. Niederländisch kannst du immer im Winter- oder Sommersemester im Semesterkurs (1x pro Woche) lernen. 

Hier findest du ab Anmeldebeginn alle Niederländischkurse

Das komplette Kursangebot für 38 Sprachen im Sommersemester gibt es hier: 

Sommersemester


Bildnachweis

Titelbild: Canva Design; Profilbild: IUWGmbH/Klaus Ranger