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Palatschinken mit Blaubeerkonfitüre

Vor einigen Jahren wurde mir in einem Schreibseminar vorgeworfen, dass meine Sprache nicht österreichisch genug sei. Ich hatte einen Text vorgetragen und einige Kolleg*innen hatten sich durchaus wohlwollend dazu geäußert, als der Leiter, ein nicht ganz unbekannter Wiener Schriftsteller, das Wort ergriff: „Ich verstehe nur nicht, warum deine Heldin an der Spüle steht, bei uns heißt das doch immer noch Abwasch.“

Zehn Augenpaare wandten sich mir zu, und es schien, als würden alle dem Autor zustimmen, sodass ich stotternd erwiderte, dass ich hier wohl von meinem deutschen Partner beeinflusst worden sei. Das ließen sie gelten und wandten sich erleichtert anderen, gut österreichischen Texten zu.

Mein Mann kam vor vielen Jahren zum Studium aus Deutschland nach Wien. Manchmal erzählt er noch davon, dass er zu Beginn die Leute nicht so gut verstanden habe. Nur engen Vertrauten berichtet er leise von dem Kulturschock, den er gleich nach seiner Ankunft bei dem Film Indien, von dem er nur ein Viertel verstand, erlebt hat. Durch Freundschaften von Vorarlberg über Südtirol und Niederösterreich bis Kärnten konnte er zum Glück seine Sprachkenntnisse nach und nach verbessern.

Heute kommt ihm kaum noch ein „nee“ über die Lippen, und wenn die Kinder ihn um etwas bitten, das ihm nicht behagt, flüchtet er sich oft in ein „Schau ma mal“, eine diplomatische österreichische Variante, nein zu sagen.

Worüber wir aber immer wieder diskutieren, sind die Artikel. So sagte ich z. B. früher die Nutella, in der Familie hat sich aber mittlerweile das Nutella durchgesetzt, zu meinem Leidwesen auch der Joghurt, statt wie in Österreich üblich das Joghurt, die Cola kommt bei uns jedoch genauso wenig auf den Tisch wie das Cola. Über die Bezeichnungen von Lebensmitteln mussten wir uns nie streiten, mein Mann hat sich kulinarisch voll integriert, er macht Marillenknödel mit Topfenteig (statt Quarkklöße mit Aprikosen), kauft Semmeln und Striezel (statt Brötchen und Hefezopf) und betont seinen Kaffee brav auf der zweiten Silbe.

Aber auch ich habe mich angepasst: die Erdäpfel sind in jeder Darreichungsform zu Kartoffeln geworden, die Weinbeeren zu Rosinen, die Abwasch hat sich in eine Spüle verwandelt und der Putzfetzen in einen Lappen. Das deutsche Hackfleisch hat sich aber zum Glück nicht gegen das elegantere österreichische Faschierte durchgesetzt.
Teilweise existieren österreichische und deutschländische Ausdrücke auch ganz friedlich nebeneinander, z. B. die Germ und die Hefe, der Karfiol und der – zugegebenermaßen poetischere  – Blumenkohl, der Polster und das Kissen, das Leintuch und das Laken, der Mistkübel und der Mülleimer. Im Sommer gehen wir in den Wald Schwammerln klauben beziehungsweise Pilze suchen. Dabei sammeln wir manchmal auch kleine, bläuliche Beeren, für die wir sogar drei verschiedene Namen haben: Blaubeeren (deutschländisches Deutsch: mein Mann), Schwarzbeeren (Kärntnerisch: ich)  und Heidelbeeren (Wienerisch: unsere Kinder).

Insgesamt hat sich also eine gute Mischung und eine sprachliche Harmonie in der Familie ergeben, auch wenn sich den Sprachpuristen aus dem Schreibseminar manchmal die Haare sträuben würden, könnten sie uns hören.

Nur bei einer Sache verdrehe ich genervt die Augen und korrigiere ihn, nämlich wenn mein Mann unsere Kleine fragt, womit sie „ihren Palatschinken“ wolle. Denn es ist nicht der Palatschinken, sondern die Palatschinke, das Wort kommt aus dem Ungarischen und hat mit „Schinken“ überhaupt nichts zu tun!

Übrigens: Ich esse meine Palatschinken (Plural) am liebsten mit Heidelbeermarmelade!

Foto © pixabay.com


 

Martina Heuser hat in der Schule die deutsche Standardsprache, Englisch, Latein und Französisch gelernt und später Französisch, Spanisch und Deutsche Philologie studiert. Seit 2015 unterrichtet sie am  Sprachenzentrum Deutsch als Fremdsprache und auf Anfrage auch österreichische Dialekte.

 


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Falls ihr auch einen Deutschkurs am Sprachenzentrum besuchen möchtet: Der nächste Trimesterkurs beginnt im Jänner (die Anmeldung ist ab 14.12. möglich).