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Die Fremdsprache, die in Österreich nicht fremd ist: ÖGS

In einer unserer ersten Mitmachvorlesungen rund um unser 20-jähriges Jubiläum präsentierte Lily Emmalie Marek 20 Mythen und Fakten über Gebärdensprachen und klärte darüber auf.

Zur Verwunderung einiger der Teilnehmer*innen meiner Mitmachvorlesung mit dem Titel „20 Mythen und Fakten über Gebärdensprachen“ ist die ÖGS, also die Österreichische Gebärdensprache, kein erfundenes Hilfssystem, sondern eine eigene vollwertige und natürlich entstandene Sprache. Somit ist sie auch unabhängig von der deutschen Lautsprache.

Die Teilnehmer*innen wurden dazu eingeladen, bei der Vorlesung mitzumachen, indem sie zwei Kärtchen in der Hand hielten. Die grün gefärbte Karte stand für „Mythos“ und die orange gefärbte Karte „Fakt“. In meiner Präsentation habe ich verschiedene Aussagen vorgestellt und die Zuhörer*innen sollten raten, ob es sich um einen Mythos oder um einen Fakt handelt.

In diesen 45 Minuten konnten alle etwas dazu lernen oder durch Fragen ihr vorhandenes Wissen vertiefen. So machten wir einen kurzen Exkurs in den Zweiten Weltkrieg, in dem viele gehörlose Frauen zwangssterilisiert wurden um Gehörlosigkeit nicht weiterzuvererben. Es ist jedoch bewiesen, dass etwa 90 % aller gehörlosen Kinder hörende Eltern haben.

Außerdem konnten die Teilnehmer*innen einen Selbstversuch im Lippenablesen versuchen, um anschließend zu erfahren dass nur etwa maximal 30 - 40 % von den Lippen abgelesen werden kann und der Rest mühsam erraten werden muss.

So gebärdete ich auch über das Jahr 1961, in jenem der erste Führerschein in Österreich einer gehörlosen Person erlaubt wurde oder über die fünf Ambulanzen, verteilt in Österreich, in denen gebärdensprachliche Kommunikation an der Tagesordnung steht.

Zwischendurch tat ich das, was ich normalerweise auch tat: Gebärden(d) unterrichten.

So lernten meine Teilnehmer*innen begeistert ein paar nützliche Basis-Gebärden.

Im Anschluss fanden wir Zeit, uns kurz auszutauschen. In einer Unterrichtseinheit bleibt nicht allzu viel Zeit dafür. In den ÖGS-Kursen ist hingegen reichlich Zeit, Mythen aufzuklären, Fakten zu lernen und diese wundervolle, dreidimensionale Sprache zu üben.

Wenn nun einige Leser*innen etwas ratlos sind, wie ich mit den Teilnehmenden reibungslos kommunizieren kann: für Vorträge, sowie für die allererste ÖGS-Unterrichtseinheit steht immer ein*e Dolmetscher*in bereit.


ÖGS-Kurse gibt es am Sprachenzentrum als Semesterkurse oder Intensivkurse im Februar oder Sommer

Die Mitmachvorlesungen sind ein kostenloses Angebot des Sprachenzentrums rund um die Jubiläumsfeierlichkeiten im Wintersemester 2022/23. 

Am 12. Jänner 2023 gibt es übrigens noch eine ÖGS-Mitmachvorlesung: Nicci Schönbauer präsentiert 20 gehörlose und erfolgreiche Persönlichkeiten. 

Weitere Informationen dazu und die Möglichkeit zur Anmeldung finden Sie hier:
20 Jahre Fremdsprachenkurse


Lily Emmalie Marek
ÖGS-Lehrende am Sprachenzentrum

Hallo, ich bin 24 Jahre jung und trilingual (ÖGS, Deutsch, Englisch). Ich bin taub und stolz drauf.

2019 habe ich eine Ausbildung zur Gebärdensprachpädagogin abgeschlossen, unterrichte seither meine Muttersprache und bin noch in einige andere Projekte involviert. Momentan arbeite ich auch gemeinsam mit dem Nachrichtenportal Gebärdenwelt.tv zusammen, um eine Website mit einem Videoprogramm für gebärdensprachige Kinder auf die Beine zu stellen.

Schon länger habe ich mir das Ziel gesetzt, meiner Gemeinschaft etwas zurückzugeben und so viele Menschen wie möglich über meine Kultur und Sprache zu informieren. Kleine Einblicke in das Gehörlossein, die Österreichische Gebärdensprache und unsere Gemeinschaft gebe ich in meinen ÖGS-Kursen und Vorträgen am Sprachenzentrum der Uni Wien. Wenn ich gerade Lust habe, drehe ich gerne Videos darüber und stelle diese auf YouTube oder Instagram auf meine Seite (findingme.in.deafhood).


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Titelbild: GettyImages/IUWGmbH; Profilbild: Zsolt Marton/IUW GmbH