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Angst vor Fehlern beim Sprechen?

Kalte Füße, zittrige Hände, hochroter Kopf. Ich will den Mund aufmachen, doch meine Zunge bleibt klamm. Der Satz traut sich nicht hinaus.

4 gute Nachrichten


Mein Puls geht hoch. Sprache ist zum Sprechen da. Ich gebe mir einen Ruck: „Give you me my handy, bitte.“

Oh nein, so ein Blödsinn! Ich weiß doch, dass man auf Englisch „mobile“ oder „cell“ sagt. Und „bitte“ heißt „please“, …

Das nächste Mal lasse ich es lieber, ich nehme mir mein Handy selbst.

Wenn es dir auch manchmal so geht, lies weiter. Wir haben 4 gute Nachrichten für dich.

 

Warum ist es manchmal so schwierig in einer Fremdsprache Gespräche zu führen?

Ganz einfach: In einer Konversation muss unser Hirn viele kognitive Leistungen auf einmal erbringen. Wir müssen zuerst zuhören und verstehen. Fast gleichzeitig beginnen wir eine Antwort zu formulieren. Dabei versuchen wir Wortschatz, Grammatik und Aussprache auf die Reihe zu kriegen. Und im nächsten Moment sollen wir schon wieder die Antwort des Gegenübers aufnehmen und verstehen.

Das setzt unser Gehirn unter Stress. Unter Stress arbeiten wir häufig effizienter, aber nicht unbedingt besser. Darunter leiden beim ungeübten Fremdsprachensprecher häufig genau die Dinge, die wir richtig machen wollen.

Unser Hirn nimmt einfach das, was ihm am nächsten liegt.

„¿Dónde es la cucina?“

Wenn ich auf Spanisch fragen möchte, wo die Küche ist, scheitere ich häufig schon daran, das richtige „ist“ zu verwenden. Ich habe gelernt, dass ich bei Orten „está“ verwende, doch „es“ für „ist“ klingt mir viel logischer. Ich sage doch schließlich auch: „Mi nombre es Verena.“
Und „cucina“ ist mir für Küche viel geläufiger als „cocina“. Das kommt vermutlich davon, dass ich vorher Italienisch gelernt habe. Das hilft bei Spanisch, funkt aber leider auch oft dazwischen.

Und schon ist es passiert, ich habe etwas gesagt, doch nicht so wie es richtig wäre.

 

Und nun kommt die erste gute Nachricht:

Mein spanisches Gegenüber runzelt vielleicht kurz die Stirn, doch auf seine Antwort muss ich bestimmt nicht lange warten.

Für das Verständnis braucht es nicht viel. In einem normalen Gespräch ist das gesprochene Wort sogar relativ. Gestik, Mimik, Körperhaltung haben einen viel größeren Einfluss und die meisten Dinge erklären sich ohnehin aus dem Zusammenhang.

Das heißt, auch wenn dir dein Sprachenzentrum (jenes im Gehirn ;)) einen Streich spielt und dich andere Dinge sagen lässt als du wolltest: Dein Gegenüber wird dich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit trotzdem verstehen.

Fehler gehören zum Lernen dazu. Nur nach vielen Versuchen der Verwendung können sich die sogenannten richtigen Wörter und Strukturen festsetzen.

Und das heißt für uns: sprechen, sprechen, sprechen … auch auf die Gefahr hin, dass wir viele Fehltritte machen und nicht genau das sagen, was wir eigentlich wollen

„Il fait beau aujourd’hui.“

Dies ist ein perfekter Satz im Französischen, doch ist er auch richtig?

 

Die zweite gute Nachricht:

Es gibt unzählige Varianten von richtig. Richtig ist das, was du eigentlich sagen willst und das weißt nun einmal nur du. Das lässt sich von außen gar nicht so leicht beurteilen.

Im Idealfall wollte ich sagen, dass das Wetter heute schön ist. Es könnte aber auch sein, dass ich einen der folgenden Sätze formulieren wollte:

Es ist ein schöner Tag heute.

Er macht es heute gut.

Er sieht heute schön aus.

Er macht sich einen schönen Tag.

Er macht sich heute fein.

Richtig ist nicht gleich richtig. Wenn du also einen perfekten Satz formulierst, freue dich darüber, dass du die Strukturen gut verwendet hast. Wenn du eigentlich was anderes sagen wolltest, versuche es beim nächsten Mal besser zu machen. Viel wichtiger ist, dass du das sagst, was du ausdrücken möchtest. Wenn da nun ein Fehler ist, ist das halb so wild. In einem Gespräch achtet niemand darauf.

Gestern notierte ich in meinem Deutschkurs fleißig die Fehler meiner Schüler, im Anschluss daran sollten Fragen zu den Gesprächen beantwortet werden. Ich konnte die Fragen inhaltlich nicht beantworten, meine Schüler jedoch schon. Sie hatten alles verstanden, was ihre Kollegen gesagt hatten. Ich hatte nur die Fehler notiert.

 

Die dritte gute Nachricht:

Dein Gegenüber interessiert sich nicht für deine Fehler. Oder hörst du Menschen nur zu, um ihre sprachlichen Fehler zu hören? Und wenn doch: Ist dir schon einmal aufgefallen, dass du dann dem Gespräch kaum noch folgen kannst oder selbst Probleme beim Sprechen bekommst?

Das Gehirn blendet Fehler sogar aus.

Nur wir Lehrer/innen oder andere Menschen, die dir bei der Weiterentwicklung deiner Fremdsprachenkenntnisse wirklich helfen wollen, konzentrieren sich auf Fehler, um diese ausbessern zu können.

Alle anderen, die mit dir eine echte Konversation führen wollen, achten nur auf die Inhalte des Gesagten und die verstehen wir sogar ohne Grammatik:

                „Sein müde gehen Bett. gut Nacht.“

                „English speak I not many.“

                „Où metro pour aller Eiffel tour?“

                „Fame grande, mangiare uno pizza, prego!“

                „Pardon asanör yok sen burada !“
               

Die vierte und letzte gute Nachricht:

Die Angst vor den Fehlern beim Sprechen ist unbegründet. Die Fehler sind sogar wichtig, um daraus zu lernen. Das beste Rezept für den Erfolg beim Sprachenlernen ist, die Fremdsprache zu nutzen. Und wenn du das machst, wirst du merken, dass die anderen genauso Fehler machen. Auch wir Lehrer/innen, weil wir sind auch nur Menschen sind.

Daher lautet die Devise: Besser sprechen als nicht sprechen. Dafür eignet sich am besten ein/e Tandempartner/in. Dann könnt ihr gemeinsam in euren Fremdsprachen sprechen und habt beide was davon. Schau doch gleich in unserer Sprachlernbörse, ob nicht schon jemand nach dir und deinen Sprachen sucht ;)

 

Verena Ngantchun, Deutschlehrerin am Sprachenzentrum