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Sprachen öffnen Herzen

Es war nicht nur die Sprache, aber auch die Sprache.

Den Weg zu meinem Herzen fand mein Ehemann, indem er mir in die Augen sah und in holprigem Englisch erklärte, wie schön ich sei.

Und das, obwohl er mich in diesem Moment zum ersten Mal ansah. Ja, es war Liebe auf den ersten Blick.

Er fragte mich, ob ich Französisch spräche und ich antwortete mit einem selbstsicheren „Oui!“, doch ich musste bald feststellen, dass mein seit über 10 Jahren vergrabenes Schulfranzösisch nicht ausreichte, um eine ausgedehnte Konversation zu führen. So sollten es für den Anfang vor allem die Gesten, Blicke, Berührungen und bruchstückhaften Konversationen in englischer Sprache sein, die uns einander näherbrachten.

Wie es das Schicksal so will, mussten wir uns kurz nach unserem Kennenlernen auch schon wieder trennen. Als ich von meinem Istanbulaufenthalt nach Wien zurückgekehrt war, war das Erste, das ich zu meiner damaligen Mitbewohnerin sagte: „Ich habe meinen zukünftigen Mann kennengelernt.“

Die Sache hatte nur einen Haken. Von nun an musste ich mit meinem Zukünftigen über WhatsApp und Co rein sprachlich kommunizieren. Er konnte kein Wort Deutsch und hatte von englischer Rechtschreibung keine Ahnung. Gleichzeitig schaffte ich es kaum, einen geraden Satz auf Französisch zu schreiben, abgesehen davon, dass es ewig dauerte.

Je t’aime.

I love you.

Tu me manques.

I miss you too.

Unsere zweisprachige Konversation war geboren.

Französisch als Text zu verstehen, war wesentlich einfacher für mich als ein Gespräch zu führen.
Und ihm ging es mit Englisch genauso.

Langsam kramte ich mein Französisch so immer weiter hervor und wurde immer schneller beim Antworten. Auch in den Skypecalls wurde ich immer selbstsicherer und versuchte, mich nach und nach auf Französisch auszudrücken.

Es war erstaunlich, was ich so alles in der Schule gelernt hatte. Es faszinierte mich, wie alles wieder hervorkam. Wie leicht mir die verschiedenen Verbformen in den Sinn kamen und ich mich nach und nach wieder an die Zeitenbildung oder die Artikel erinnerte. Oft war ich an eine der ersten Französischstunden im Gymnasium erinnert, als wir die unlogisch klingenden Genera wie „la voiture“ (die Auto) oder „le beurre“ (der Butter) lernten. Zugegebenermaßen verwendete ich diese Worte weniger in der Kommunikation mit dem Mann, der mir den Kopf verdreht hatte, aber in meinem Kopf ploppte so vieles auf. Und mein Herz öffnete sich nicht nur für diesen Menschen, sondern auch für eine Sprache, die ich eigentlich längst aufgegeben hatte.

Und außerdem heißt es nicht umsonst, dass Französisch die Sprache der Liebe ist.

In den folgenden Monaten erreichten mich tägliche Liebesschwüre, die mich in ihrer wörtlichen deutschen Übersetzung irritierten. Auf Französisch allerdings irgendwie natürlich klangen und mich einfach dahinschmelzen ließen.


Tu es ma fleur qui ne fane pas.

Ma fleur, ton sourire incarne ma raison de vivre.

Depuis le premier jour que je t'ai rencontré, tu as pris mon cœur et je ne passe pas un instant sans penser à toi.

Je suis lhomme le plus heureux en amour, car tu me combles damour.

Je suis loin de toi mais près de ton cœur.

Ton sourire me donne la joie ma princesse et je veux tembrasser.

Si le mot damour était un grain de sable cest que je toffrirais tous les sables du désert.


Ich war verzückt. Um den Finger gewickelt. Mein Herz gehörte diesem Mann und dieser Sprache.

So ist es bis heute.

Mittlerweile sprechen wir im Alltag meistens Deutsch miteinander. Wenn es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben geht, benutzen wir Französisch. Nicht zuletzt, um unserem Kind diese Sprache näher zu bringen.

Und wenn wir streiten, streite ich auf Deutsch und er auf Französisch. Das ist vermutlich besser so, weil wir dann nicht immer alles so ernst nehmen.

Missverständnisse nicht ausgeschlossen – aber das ist eine andere Geschichte.


Digital-Media-Beauftragte und Dozentin für Deutsch als Fremdsprache am Sprachenzentrum der Universität Wien

 Meine Liebe zu Sprachen ist nicht nur eine berufliche, sondern hat auch eine ganz private Komponente. Daher hoffe ich, euch während meiner Karenz mit privat(er)en Details zum Thema  Sprachen versorgen zu können.


Hat dich Verenas persönliche Geschichte auch so verzaubert wie uns? Und hat eine Sprache auch in irgendeiner Weise dein Herz (oder ein anderes Herz) geöffnet? Dann mach  bei unserer Kampagne "Sprachen öffnen Herzen" mit und erzähle uns davon! Wie genau das funktioniert, erfährst du hier:

Sprachen öffnen Herzen

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