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Zeitreise der Emotionen

Mit Eva verbindet das Sprachenzentrum nun schon eine längere Geschichte und eine durchaus emotionale Zeit. Wie kommt es dazu, dass sie bald hier aus einem ihrer Bücher vorliest?

Vor zweieinhalb Jahren saß Eva Mühlbacher erstmals vor mir, hier in meinem Büro am Sprachenzentrum mit Blick auf den schönen Campus und erzählte mir von einem „Klick auf einen Sprachkurs“, der ihr Leben veränderte.

Als sie sich zu ihrem ersten Italienischkurs angemeldet hatte, hatte sie noch nicht geahnt, dass er sie eines Tages nach Italien führen sollte, auf die Piazza del Popolo, dass sie sich in den weitläufigen Parks Roms verlaufen sollte und so zu ihrem ersten Roman, einer fantastischen Reise, inspiriert werden würde.

Damals planten wir bereits eine große Blogserie und eine Lesung aus ihrem ersten Werk „Der Momentesammler“.

Am 10. März 2020 veröffentlichte ich hier das Interview. Ich schrieb Nicola, unserer Geschäftsführerin, dass für die Lesung alles vorbereitet sei. Doch sie meinte nur lapidar: „Ich glaube, daraus wird nichts.“ Ab 16. März galt der erste Lockdown.

Zeit zum Schreiben war ja glücklicherweise eine der schönen Seiten von Corona - ansteckungsfrei. So blieb es auch dabei, dass Eva zwei Blogserien verfasste. Die Serie „Von Pferden, die auf Zehenspitzen zu Apfelbäumen tänzeln“ richtete sich an Deutschlerner*innen. „Aus dem Schatzkästchen einer Reisenden Germanistin“ war für alle Fremdsprachen- und Reiseliebhaber*innen. Außerdem verfasste sie den ersten Teil ihres Literaturführers „Zeitreisende“ und stellte diesen im April 2021 bei uns vor.

„Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“, war damals der Wortlaut in meiner Nachricht an Eva gewesen, „Die Lesung holen wir nach!“

Am 9. November 2022 ist es endlich soweit! Eva liest am Sprachenzentrum – aus dem mittlerweile zweiten Teil ihres Literaturführers.

Aus diesem Grund habe ich sie noch einmal interviewt.

Erzähle uns kurz, worum geht es in deinen aktuellen Büchern?

„Zeitreisende“ ist ein dreiteiliger Literaturführer, den ich im Dachbuch - Verlag veröffentliche. Ich möchte Literaturgeschichte erzählen für Menschen, die sich nicht wissenschaftlich damit beschäftigen (wollen). Meine Zielgruppe sind Jugendliche, aber auch Deutschlehrer*innen, die ihren Schüler*innen eine andere Perspektive eröffnen wollen. Weil diese Literaturgeschichte sich nicht einfach nur an Daten und Personen orientiert, sondern ein Lebensgefühl greifbar machen will, bietet sie eine sehr gute Grundlage für alle Lehrenden, die ihren Schülern und Schülerinnen einen zeitgemäßen Zugang bieten möchten. Außerdem sind dadurch alle angesprochen, die sich gerne mit Literaturgeschichte beschäftigen möchten, aber einen schlechten oder nicht vorhandenen Deutschunterricht hatten.

Der erste Teil trägt den Untertitel „von der Romantik bis zum Ende des Ersten Weltkrieges“, der zweite „von der Frühen Neuzeit bis zum Ende der Goethezeit“. Täusche ich mich oder geht es da rückwärts in der Geschichte?

Ja, wir reisen zurück. Das hat vorrangig einen praktischen Grund: jemand, der einen Einblick in ein sehr komplexes und in seiner Wahrnehmung vielleicht anstrengendes Thema bekommen möchte, tut sich leichter, in einer Zeit zu beginnen, die ihm oder ihr näherliegt. Für das 20. Jahrhundert ist wissenstechnisch eine bessere Grundlage vorauszusetzen als etwa für das Barockzeitalter. Mir geht es darum, das Lebensgefühl der Epochen erlebbar machen und die Leser*innen sanft an die Literatur früherer Zeiten heranzuführen. Die Bücher sind im Erzählton verfasst. Dabei ist mir aber sehr wichtig, dass die Informationen fachlich richtig und wissenschaftlich begründet sind und darüber hinaus historisch korrekt eingebettet. Daher gibt es am Beginn jedes Kapitels auch einen Blick auf den historischen Kontext.

Im dritten Teil beschäftige ich mich dann nur mit dem Mittelalter. Die mittelhochdeutschen Originaltexte sind nicht so einfach verständlich, werden aber großteils in neuhochdeutscher Übersetzung wiedergegeben. Historisch gesehen ist mir aber bewusst, dass ich da noch mehr Kontext geben muss.

Mir ist in allen Bänden sehr wichtig, einen modernen Blickwinkel zu bewahren und den Leser*innen vor Augen zu führen, welche Parallelen es zwischen der Literatur von damals und der (populären) Kultur heute gibt.

Und wie sehen diese Parallelen aus?

Etwas, das uns über alle Zeiten verbindet und prägend für Literatur, Filme oder andere kulturelle/künstlerische Werke ist, sind die Gefühle. Ich könnte der Buchserie auch den Titel „Literaturführer der Emotionen“ geben. Emotionen beschäftigen uns und treiben unser Handeln an. Damals wie heute.

Einen sehr konkreten Blick auf die Parallelen finden die Leser*innen in beiden Büchern im neunten Kapitel: „Zeitreise ins 21. Jahrhundert“. Da greife ich auf, wie aktuelle Netflix-Serien und deren Motive mit den literarischen Werken früherer Zeiten verbunden sind.

Genau darum soll es ja dann auch in der Lesung am 9. November 2022 gehen. Was erwartet die Besucher*innen?

Was die Besucher*innen erwartet, zeigt schon der Titel der Veranstaltung: Was haben Bridgertons Duke of Hastings und Goethes Werther gemeinsam?

Die Netflix-Serie „Bridgerton“ hat alle Rekorde gebrochen mit ihren bunten Kostümen und ihrer leidenschaftlichen, aber auch sehr romantischen Liebesgeschichte zwischen Simon und Daphne. Alles an dieser Serie ist Gefühl, Romantik, ein bisschen „too much“. „Die Leiden des jungen Werthers“ von Johann Wolfgang von Goethe hingegen ist den meisten wohl aus der Schule als trockene, verstaubte Lektüre in Erinnerung – wenn überhaupt. Aber die beiden Charaktere haben mehr gemeinsam als man auf den ersten Blick annehmen kann – und damit sind sie in der Serienlandschaft nicht alleine. Darauf werfe ich einen Blick und lade deshalb Literatur- und Serien-Nerds gleichermaßen ein wie Deutschlehrende, die einen neuen Input für ihren Stundeneinstieg brauchen.

Für alle, die den Duke of Hastings noch nicht kennen, gibt es hier einen kleinen Vorgeschmack auf YouTube: 

YouTube Clip

Ich freue mich schon sehr auf die Lesung. :)

Herzlichen Dank für das Interview, ich freue mich auch!

Im Anschluss an die Lesung, können wir uns bei Wasser, Wein und kleinen Snacks über Emotionen und die Welt unterhalten. Unter allen Besucher*innen verlosen wir übrigens 5 Facultas-Goodie-Bags inkl. 10 Euro Einkaufsgutschein von Facultas.

Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es hier: 

Lesung


Weiterführende Links:

Von Pferden, die auf Zehenspitzen zu Apfelbäumen tänzeln (Blogserie für Deutschlerner*innen)

Schatzkästlein der reisenden Germanistin (Blogserie für Sprachliebhaber*innen & Reiselustige)


Das Interview wurde von Verena Ngantchun im Oktober 2022 geführt. 

Verena Ngantchun

Digital-Media-Beauftragte und Dozentin für Deutsch als Fremdsprache am Sprachenzentrum der Universität Wien

Sprachen sind immer noch meine Leidenschaft. Auch wenn ich derzeit nicht aktiv unterrichte. Ich freue mich aber umso mehr, euch für das Sprachenzentrum über alle unsere digitalen Kanäle auf dem Laufenden zu halten. 


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