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Das Märchen-ABC: Von Albtraum bis Zwerge

Willkommen in der Welt der Märchen mit ihren Zwergen, Feen, Hexen und Zauberern! Die menschliche Fantasie hat sich diese Wesen ausgedacht, um zu lachen, zu weinen und zu staunen. Diese Fabelwesen sind alle im Kern Zeugen dafür, dass wir sicher sind, dass da irgendetwas ist, das uns umgibt und das wir nicht mit den Augen sehen können. Manche Märchen wie Hänsel und Gretel haben einen schrecklichen, realen Kriminalfall als Basis: Die Kinder wurden im Wald ausgesetzt, dort gefunden und von einer alten Frau gegessen. Das sagen uns die Gerichtsakten. Unsere kollektive Fantasie aber wollte sie retten, vielleicht erzählen wir diese Geschichte deshalb bis heute. Oder wir wünschen uns den Prinzen auf dem weißen Pferd. Aber wer die Geschichte des Froschkönigs kennt, weiß: Manchmal lohnt es sich, eine Weile durchzuhalten …

Viel Spaß mit dem Märchen-ABC!

Albtraum, der: Wenn man einen Albtraum hat, träumt man von etwas, das einem Angst macht. Das Wort Alb kommt aus der nordischen Mythologie. Es ist die Bezeichnung für einen Naturgeist, der unter der Erde lebt. Hat man einen Albtraum, dann schleicht sich dieser Geist in die Träume ein, um uns Angst zu machen.

Böse, das: In Märchen gibt es immer das Böse, das besiegt werden muss. Eine Märchenhandlung beinhaltet immer Gegensatzpaare: Gut und Böse, schön und hässlich, dunkelhaarig und blond. Diese Aufteilung dient der Orientierung nach moralischen Gesichtspunkten und ist ein wichtiger Aspekt der literarischen Gattung Märchen.

Cinderella: Dieses Märchen kennt man auf Deutsch unter einem anderen Namen, der aber die direkte Übersetzung des englischen bzw. italienischen Begriffs ist: das Aschenputtel. Achtung auf den Artikel, denn der Name steht in der Diminutivform, daher ist er das. Aschenputtel wächst bei seiner Stiefmutter und den Stiefschwestern auf und wird von ihnen schlecht behandelt. Es muss immer neben dem Kamin in der Küche schlafen (daher der Name). Eines Nachts wünscht sich Aschenputtel am Grab ihrer Mutter, dass es auf einen Ball mitkommen darf. Daraufhin erscheint eine Fee, zaubert dem Mädchen ein schönes Kleid und gläserne Schuhe auf den Körper und so kann es am Ball teilnehmen. Natürlich verliebt sich der Prinz in die schöne Unbekannte. Aber Aschenputtel muss vor Mitternacht zu Hause sein, denn dann verliert der Zauber seine Wirkung. Weil es nur Augen für den Prinzen hatte, verpasst das Mädchen die Frist beinahe und muss dann überstürzt aufbrechen. Dabei verliert sie einen Schuh, den der Prinz findet. Da es ein magischer Schuh ist, kann er die Geliebte wiederfinden, weil dieser Schuh nur ihr passt. Die Moral von der Geschichte: Öfter heimlich auf Bälle gehen und Maßschuhe tragen. J

Dornröschen, das: Dornröschen sticht sich an einer verzauberten Spindel und fällt daraufhin in einen hundertjährigen Schlaf. Erlösen kann sie nur der Kuss der wahren Liebe. Irgendwann kommt mehr oder weniger zufällig ein schöner, junger Prinz vorbei, um sie zu erlösen. In neueren Adaptionen der Geschichte ist es nun meist die Frau, die ihren Prinz wachküssen muss, beispielsweise im neuen Ableger von „Fack ju Göhte“: „Chantal im Märchenland“

Es war einmal …: mit diesen Worten beginnen alle Märchen auf Deutsch.

Froschkönig, der: Dieses Märchen ist motivisch eines der interessantesten. Eine Königstochter sitzt an einem Brunnen und spielt mit ihrer goldenen Kugel. Diese fällt ihr ins Wasser. Daraufhin erscheint ein Frosch, der ihr anbietet, die Kugel wieder hochzuholen. Dafür verlangt er, fortan bei ihr wohnen, von ihrem Teller essen und in ihrem Bett schlafen zu dürfen. Die Prinzessin willigt ein, denkt aber, dass der Frosch seine Forderung vergessen würde. Mitnichten. Das glitschige Tier schläft in ihrem Bett, isst von ihrem Teller und ist den ganzen Tag in ihrer Nähe. Eines Tages reicht es der Prinzessin und sie schleudert ihn gegen die Wand. Statt dass er stirbt, zerplatzt der Frosch aber und ein schöner Prinz erscheint. In diesem Märchen wird die Erlösung eigentlich durch Antipathie und nicht durch Liebe erreicht. Noch heute sagen wir aber in Anlehnung an diese Geschichte: „Ich habe viele Frösche küssen müssen, bevor ich meinen Prinzen fand.“

Grimm, Jakob und Wilhelm: Die Brüder Grimm waren Sprachforscher und Märchenerzähler. Sie sind für die deutsche Sprach- und Kulturgeschichte von essentieller Bedeutung. Nicht nur schrieben sie das erste Etymologische Wörterbuch (ein Mammutprojekt, das erst rund 200 Jahre nach ihrem Tod fertiggestellt werden konnte), sondern sie sammelten Märchen, änderten diese zum Teil etwas ab und schrieben sie für die Nachwelt auf. Ihre Idee war es, dass die Märchen abends in der Familie den Kindern vorgelesen werden konnten und die moralischen Geschichten bei der Kindererziehung helfen sollten.

Hänsel und Gretel: Das ist eines der berühmtesten Märchen der Grimms. Zwei Kinder werden vom Vater und der bösen Stiefmutter im Wald ausgesetzt, wo sie an das Haus einer Hexe kommen. Das Haus ist aus Lebkuchen und die hungrigen Kinder beginnen zu essen. Die Hexe sieht beim Fenster hinaus und lockt die Kinder in ihr Haus. Dann sperrt sie Hänsel in einen Käfig und will ihn so lange füttern, bis er fett geworden ist und sie ihn essen kann. Durch eine List von Gretel können die Kinder die Hexe aber in den  Backofen schubsen, wo sie verbrennt. Daraufhin fliehen die Kinder und kommen zurück nach Hause. In der ursprünglichen Fassung des Märchens war es die eigene Mutter, die die Kinder im Wald aussetzte, aber das erschien ihnen dem Ideal der Mutterschaft nicht entsprechend, also wurde diese zur Stiefmutter.

Ingrimm, der: altmodisches Wort für Zorn oder Empörung. Es ist ein Wort, das heute fast nur noch in den alten Versionen der Märchen zu finden ist.

Jorinde und Joringel: Jorinde und Joringel sind ein junges Paar, das im Wald spazieren geht und dort einer Hexe begegnet. Die Hexe verwandelt jedes Mädchen, das sich zu ihr verirrt, in einen Vogel, so auch Jorinde. Joringel kann ihr entkommen und träumt in der Nacht von einer roten Blume, die er finden muss, um Jorinde zu erlösen. Nach 9 Tagen hat er diese Blume gefunden, geht zurück zur Hexe und muss nun den richtigen Käfig wählen, in dem Jorinde sitzt. Die Hexe aber verrät es ihm unabsichtlich, weil sie mit dem schönsten Vogel, einer Nachtigall, der natürlich Jorinde ist, verschwinden will. Durch die Berührung mit der Blume erlischt die Zauberkraft der Hexe und Jorinde erhält ihre menschliche Gestalt zurück.

Kobold, der: eine kleine, listige Gestalt, die oft Sachen stiehlt und meistens unehrlich ist. Kobolde gibt es viele in Märchen und Sagen, besonders auch im nordischen Sagenkreis. In die Popkultur hat die Figur sich durch Dobby, den Hauself in den Harry Potter- Büchern gerettet. Im Irischen ist der bekannte Leprechaun ebenfalls ein Kobold.

Lautmalerei, die: In Märchen kommen oft Zaubersprüche vor. Damit man sich diese besonders gut merken kann, haben sie lautmalerische Elemente. Das bedeutet, dass ein akustischer Laut durch Worte beschrieben wird, beispielsweise in Hänsel und Gretel: Knusper, Knusper, Knäuschen oder in Aschenputtel: Bibedibu (Zauberspruch der Fee)

Märchen, das: Das Wort Märchen kommt vom mittelhochdeutschen mar oder maere, was Erzählung bedeutet. Es steht in der Diminutivform und ist daher eine kleine Erzählung.

Naturgeist, der: In Märchen kommen oft Naturgeister vor, beispielsweise Feen. Sie sind mit dem Wald, dem Wasser oder dem Gebirge eng verbunden. In Märchen ist die Natur grundsätzlich ein Ort, an dem die Wahrheit ans Licht kommt: Ist jemand gut, wird er auch von der Natur gut behandelt. Muss sich jemand einer (moralischen) Prüfung unterziehen, findet diese in der Natur (z.B. im dunklen Wald) statt.

Ork, der: Tiere aus der Unterwelt. Der Name kommt wahrscheinlich vom lateinischen orcus (= Unterwelt). Popularität erlangte diese Art von Fabelwesen durch J.R.R. Tolkiens Der Herr der Ringe. Dort sind Orks die Vasallen des bösen Zauberers Saruman (und damit Saurons).

Prinz, der: In Märchen kommen meist Prinzen vor. Oft wird heute, auch aus einem feministischen Ansatz heraus, die Rolle des Prinzen falsch gedeutet. Die feministische Literaturwissenschaft versteift sich oft darauf, dass die Frauen ja immer erlöst werden müssen. Übersehen wird dabei jedoch, dass Prinzen meist kein Profil aufweisen. Einer ist gegen den anderen austauschbar. Sie funktionieren in der Geschichte nur als eine Art deus ex machina. Eine Figur braucht Erlösung: Kein Problem, der Prinz auf dem weißen Pferd ist schon zur Stelle!

Quelle, die: In vielen Märchen kommen Quellen oder Brunnen vor, an dem sich die Schicksale der Hauptfiguren entscheiden: in Frau Holle (die Mädchen springen in einen Brunnen), im Froschkönig (ihr fällt die Kugel ins Wasser) oder auch in Der Wolf und die sieben Geißlein (der Wolf will aus dem Teich trinken, aber sein Magen ist mit Steinen beladen, also fällt er hinein und ertrinkt).

Rotkäppchen, das: weiteres Märchen der Gebrüder Grimm, nach einer französischen Vorlage. Rotkäppchen soll der Großmutter Wein und Kuchen bringen, biegt aber auf eine Blumenwiese ab, um noch Blumen für die Mutter mitzubringen. In der Zwischenzeit lauert ein Wolf der Großmutter auf, frisst sie und legt sich statt ihr ins Bett. Als Rotkäppchen ankommt, tut er so, als wäre er die Großmutter. Als sie ihn fragt: „Großmutter, warum hast du so große Ohren?“, antwortet er: „Damit ich dich besser hören kann.“ Dieser Dialog geht noch über weitere körperliche Merkmale, bis er auf die Frage nach seinem Mund mit „Damit ich dich besser fressen kann“ antwortet. Dann frisst er auch Rotkäppchen. Glücklicherweise aber wird der Wolf von einem Jäger gesucht und dieser kommt, als der Wolf schläft. Der Jäger schneidet dem Tier den Bauch auf, befreit die Großmutter und das Rotkäppchen und alles endet gut. Die französische Vorlage ist etwas pikanter: Hier schlägt der Wolf gleich vor, Rotkäppchen könnte sich doch ausziehen und zu ihm ins Bett legen. Das war den Brüdern Grimm dann etwas zu heiß und so änderten sie diese Passage ab. Auch das gute Ende wurde von ihnen geschrieben, denn in der Vorlage frisst der Wolf Rotkäppchen einfach. Dort endet die Geschichte. Die Geschichte von Rotkäppchen wird aber in mancher Interpretation noch heute so gesehen, dass das Sich-im-Wald-Verirren für den symbolischen Wandel des Mädchens zur Frau durch das Einsetzen der Menstruation (der Mantel ist rot!) steht.

Stiefmutter, die: Stiefmütter sind in Märchen immer böse Figuren, die den Hauptfiguren etwas Schlechtes wollen. Dies beruht auf dem Familienkonzept des 19.Jahrhunderts, als die Brüder Grimm gelebt haben. In dieser Zeit gab es nur die eine Ehe; eine zweite war moralisch falsch. Viele der Geschichten der Märchen stammen aber aus dem Mittelalter, in dem eine zweite oder auch dritte Ehe aber ganz normal waren. Der Grund war, dass die Menschen nicht alt wurden. Starb eine Frau beispielsweise bei der Geburt eines Kindes, war es für die Familie überlebenswichtig, wenn der Vater wieder heiratete, weil sich die Frau um den Haushalt kümmern musste. Es gab in dieser Zeit also vermutlich sehr viele, bestimmt auch nette, Stiefmütter.

Tugend, die: altmodisches Wort, das einen guten Charakterzug einer Person beschreibt. Tugenden sind beispielsweise Bescheidenheit, Ehrlichkeit, oder Gerechtigkeit. Sie sind mit einem hohen, moralischen Standard verbunden. Die höchsten, christlichen Tugenden werden Kardinaltugenden genannt: Iustitia (Gerechtigkeit), Fortitudo (Tapferkeit), Sapientia (Weisheit) und Temperantia (Mäßigung). Die guten Figuren werden in Märchen als tugendhaft bezeichnet und damit auf den höchsten moralischen Stand gestellt.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute: mit diesen Worten enden die meisten Märchen auf Deutsch.

Vögel, die: Vögel sind in Märchen immer gute Tiere. Sie sind Liebesboten aus dem Mittelalter, die Geheimbotschaften zwischen Liebenden transportierten. In Märchen sind sie Weggefährten (in Hänsel und Gretel bringen Schwäne die Kinder über den Fluss; in Aschenputtel helfen sei bei der Hausarbeit) oder stehen für Liebende (Jorinde verwandelt sich in einen Vogel)

Wolf, der: Wölfe sind in Märchen immer böse Tiere. Sie sind listig und wollen die Hauptfiguren in eine Falle locken. Außerdem möchten sie die Menschen und anderen Tiere (z.B. in Der Wolf und die sieben Geißlein) liebend gerne essen.

X = 3 oder 7: Diese beiden Zahlen spielen in Märchen eine große Rolle. Zaubersprüche werden oft drei Mal wiederholt oder es wird drei Mal nachgefragt, bevor die richtige Antwort gesagt wird (beispielsweise in Rumpelstilzchen). Drei steht für die Dreifaltigkeit: Gottvater, Jesus und der Heilige Geist (die Gesellschaft zur Zeit der Gebrüder Grimm ist noch sehr christlich geprägt!). Oft kommt auch 12 vor (3x4), denn diese Zahl ist die Zahl der Vollkommenheit (z.B. die zwölf olympischen Hauptgötter oder die zwölf Apostel). Auch 7 ist eine magische Zahl (7 Tage; 7 Zwerge).

Yeti, der: Auch der Yeti ist ein Fabelwesen. Wir begegnen ihm in dieser Blogreihe zwar immer mal wieder, aber wo genau er wohnt, wissen wir natürlich nicht. Man sagt, er habe weißes Fell. Man sagt, er wohnt hoch im Norden. Man sagt, er hat sehr große Füße.  Und den Rest seiner Eigenschaften kennen nur diejenigen, die den ABC-Blog regelmäßig lesen. J

Zwerg, der: Zwerge sind Fabelwesen, die in Märchen oder Sagen vorkommen. Sie sind klein, wohnen meist in den Bergen oder im Wald und tragen lange Bärte und Zipfelmützen. Die berühmtesten Zwerge sind natürlich jene sieben, die Schneewittchen helfen, sich vor der bösen Königin zu verstecken. Schneewittchen wird trotzdem gefunden, beißt in einen vergifteten Apfel und die Zwerge sind es, die ihr den gläsernen Sarg schreinern, in dem sie wie tot liegt, bis der Prinz sie findet und erlöst. Ja, bei der Hochzeit dürfen dann auch die Zwerge mitfeiern.